Menschlicher Schädel

Der Gott des Todes und die fünf Törichten – Wünsche

Fünf Törichte besuchten den Schrein Katox‘ – Gott des Todes und der Krankheit. Es waren eine alte, kranke Frau, ihre zwei Söhne und ihre zwei Töchter. Sie traten vor den Schrein und baten den Gott, die Krankheit der Mutter zu heilen. Doch nichts geschah. Wütend darüber beschimpften sie Katox und verglichen ihn mit dem faulen Elfrik – Gott der Müßigkeit und des Feierns. Da erschien er plötzlich vor ihnen – der Gott des Todes. Erschrocken wichen sie zurück.
„So so. Ich soll also das bisschen Fieber und Husten heilen? Wollt ihr meine Zeit stehlen mit solchen Lappalien? Willst du sehen, was es heißt, wirklich krank zu sein?“
Katox schnippte mit den Fingern und und die alte Frau begann Blut zu husten.
„Nun zu euch vieren. Habt sie weit begleitet und auf ihrem Weg gestützt. Ihr habt Glück, heute bin ich guter Dinge. Wünscht euch etwas und es wird geschehen. Zumindest solange es in meiner Macht steht. Will mich ja nicht in die Dinge anderer Götter einmischen.“
Dann wandte er sich dem jüngeren Sohn zu.
„Nun denn Dickwanst, was wünschst du dir?“
„Ich will so schlank sein wie mein Bruder.“
Katox schnippte mit den Fingern und der beleibte Törichte übergab sich sogleich. Dann wandte sich Katox dem älteren Sohn zu.
„Nun denn Bohnenstange, was wünschst du dir?“
Er überlegte nicht lange: „Ich will so stark sein wie ein Ochse.“
Katox schnippte mit den Fingern und dem schwächlichen Törichten schossen Hörner aus der Stirn. Dann wandte sich Katox der jüngeren Tochter zu.
„Nun denn hübsches Kind, was wünschst du dir?“
„Hah, ich fall nicht auf deine Spielchen rein. Ich wünsche mir ewige Schönheit.“
Katox lächelte: „So sei es.“
Er schnippte mit den Fingern und die Tochter schied dahin.
„Mögest du ewig in deiner jetzigen Gestalt auf Erden wandeln.“
Dann wandte sich Katox der älteren Tochter zu.
„Nun denn arrogantes Weib, was wünschst du dir?“
„Mich wirst du nicht hinters Licht führen, Katox. Ich wünsche mir, dass ich auch in hundert Jahren noch so lebendig und schön bin wie heute.“
„Oho, eine interessante Wahl.“
Katox schnippte mit den Fingern und nichts geschah. Daraufhin verabschiedete er sich: „Nun denn, auf ein baldiges Wiedersehen, denn dies kann ich euch versichern.“
„Halt“, rief die alte Frau. „Habe ich nicht auch einen Wunsch?“
„Habe ich nie behauptet“, antwortete Katox. „Jeder hat bereits das bekommen, was er verdient. Mehr als ein Geschenk pro Leben wäre doch etwas ungerecht. Es war schließlich niemand bereit, seinen Wunsch für dich zu opfern. Das kannst du schlecht mir anlasten.“
Kaum das letzte Wort ausgesprochen, verflüchtigte sich Katox in Nebelschleier. Schon im nächsten Moment schied die alte Frau dahin. Die ältere Tochter echauffierte sich erbost: „Ihr seid selber Schuld! Hättet ihr unserer Mutter lieber Gesundheit gewünscht, als Katox auf den Leim zu gehen.“
Schnell zerstritten sich die drei und gingen getrennte Wege.

Der beleibte Törichte, sich nach jeder Mahlzeit übergebend, nahm rasch ab. Wie er es sich gewünscht hatte, erreichte er in kürzester Zeit das Gewicht seines Bruders. Es gelang ihm allerdings nicht, genug Essen im Magen zu behalten, als dass er dieses Gewicht hätte halten können. So magerte er weiter ab, bis sein Körper derart geschwächt war, dass er dahinschied.
Seinem Bruder sollte es nicht besser ergehen. Dieser wurde freilich so stark wie ein Ochse. Genau so wie er es sich gewünscht hatte. Eines Tages wachte er auf und musste feststellen, dass er sich gänzlich in einen Ochsen verwandelt hatte. Es dauert nicht lange, bis er einem Jäger zum Opfer fiel und auf einem Mittagstisch landete.

Nun war nur noch die arrogante Törichte übrig. Sie dachte, sie hätte Katox überlistet und ließ ihre ewige Jugend feiern. Sie heiratete einen reichen Mann und gebar ihm viele Kinder. Diese wuchsen schnell heran und mit der Zeit wurde ihr Gatte älter und grauer, doch sie veränderte sich nicht. Wie sie es sich gewünscht hatte, blieb sie jung. Es dauerte nicht lange, bis dies den anderen Dorfbewohnern auffiel. Ohne zu zögern, verschrie man sie als Hexe. In der darauffolgenden Nacht brannte man ihr Haus nieder. Ihr Mann und ihre Kinder fielen dem Feuer zum Opfer. Sie blieb jedoch unversehrt. Als sie das brennende Anwesen lebendig verließ, bestärkte dies die Dorfbewohner nur umso mehr. Bloß eine Hexe konnte diesen Flammen entkommen. Bevor das Dorf sie lynchen konnte, stahl sie sich im Schatten der Nacht davon. Ihrer Trauer entkam sie allerdings nicht. Der schmerzliche Verlust war zu groß, um mit ihm leben zu können. Drum stieg sie auf den nächstgelegenen Berg und stürzte sich hinunter. Doch wie sie es sich gewünscht hatte, blieb sie am Leben. Da stand sie nun – verzweifelt, geächtet und verfolgt.
„Katox, ich verfluche dich. Nimm meinen Wunsch zurück!“
Ein kaum wahrnehmbarer Windhauch ließ das Gras erzittern, wie wenn ein Gott vorbeihuscht und schmunzelt. Daraufhin folgte Stille.
So musste sie auf Erden wandeln, lebendig und dennoch im Inneren Tod, bis ihre hundert Jahre vorüber waren. Erst dann kam Katox und holte sie ins Reich der Toten.

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