Inspiriert von den zwei buddhistischen Geschichten:
„The Abusive Brothers“ aus „Dhammapada Stories“ von Gambhiro Bikkhu
„You Cannot Dirty the Sky“ aus „Buddhism Key Stage 2“ von Jing Yin W. Y. Ho
Es war einmal ein alter Mönch. Jeden Tag ging er in ein nahegelegenes Dorf, um für den Tempel Almosen zu sammeln. An einem sonnigen Morgen kam er an einem Taugenichts vorbei. Als dieser den Mönch erblickte, schimpfte dieser sogleich: „Was bettelst du hier? Siehst du nicht, dass es uns schon schlecht genug geht. Hier gibt es nichts zu holen und überhaupt…“
Es dauerte eine Weile, bis der Taugenichts der Beleidigungen müde wurde. Die ganze Zeit über hatte der Mönch ruhig und gelassen dagestanden. Erst jetzt ergriff er das Wort: „Wenn du einen Gast zu dir nach Hause einlädst und ihm Speise und Trank anbietest, er diese jedoch nicht annimmt und geht. Wem gehört das Angebotene dann?“
Damit hatte der Taugenichts nicht gerechnet. Völlig irritiert schaute er den Alten an und antwortete wie aus einem Reflex: „Mir?“
„So ist es“, sagte der Mönch und führte seine Runde fort.
Auf seinem Weg begegnete der Mönch ebenfalls dem Freund des Taugenichts‘. Der Mönch sah ihm sofort an, dass er mit Dieben gemeinsame Sache machte. Dennoch fragte er ihn, ob er für den Tempel spenden wolle.
„Was fragst du mich, Lumpenträger? Soll ich dir die Kehle durchschneiden?“, antwortete der Dieb erbost.
„Jeder hat stets die Chance Gutes zu tun, egal wie finster seine Vergangenheit ist“, sagte der Mönch gelassen.
„Ich hasse es, mich zu wiederholen, Taube Nuss. Wenn du nicht gleich verschwindest… hey, warte mal. Du sammelst doch Geld. Gib’s her oder sterb.“
„Du bist kein Mörder, nicht wahr? Das kann ich sehen.“
Das war der Dieb wahrlich nicht. Dafür hatte er nicht den Mut. Doch dies hinderte ihn nicht daran, auf den Mönch einzuschlagen und ihm den Almosenbeutel aus den Händen zu reißen. Während sich der Mönch wieder aufrappelte, rief er dem flüchtenden Dieb hinterher: „Das wird dir viel mehr Schmerzen bereiten als mir. Kehr um, solange du noch kannst!“
Der Dieb ignorierte die Worte des Mönches und rannte davon. Der Lärm der Auseinandersetzung hatte die Leute des Dorfes jedoch bereits alarmiert. Diejenigen, die Zeuge des Überfalls gewesen waren, eilten dem Dieb sogleich hinterher. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn eingeholt und umzingelt hatten. Der Dieb zückte ein Messer und versuchte sich den Weg freizukämpfen; doch ohne Erfolg. Als er von einer Mistgabel erwischt wurde, ließ er seine Beute fallen. Die Dorfbewohner wollten ihm gerade den Garaus machen, da drang die Stimme des Mönches zu ihnen: „Haltet ein. So hat doch jeder das Recht auf Leben.“
Auf Geheiß des Mönches knebelten sie den Dieb und brachten ihn zurück zum Dorf. Zudem bestand der Mönch darauf, den Dieb im Tempel zu verarzten. Etwas widerwillig gaben die Dorfbewohner dem ungewöhnlichen Wunsch nach.
Es dauerte einige Tage bis die Wunde vollends geheilt war. Der Dieb verstand nicht, warum der Mönch all dies tat und fragte ihn danach. Darauf antwortete der Mönch: „Siehst du nun ein, dass wenn du andere verletzt, dir selbst viel mehr schadest? Wenn ich nicht gewesen wäre, wärst du womöglich auf qualvolle Weise gestorben. Und selbst wenn nicht. Du kannst mir nicht erzählen, dass dein Gewissen frei von Schuld ist, auch wenn du versuchst sie mit Wut zu überdecken.“
Nach einer kurzen Pause setzte der Mönch erneut an: „Und du glaubst doch nicht, dass du ohne Strafe davonkommst. Du wirst uns helfen den Tempel sauber zu halten. Sagen wir, für drei Monate.“
Der Dieb setzte sich verwundert auf und meinte: „Und was hindert mich daran zu gehen?“
„Du bekommst hier Essen, eine Unterkunft und Beschäftigung. Ist das wirklich so furchtbar? Ich halte dich für klug genug, nicht noch einmal das Risiko einzugehen, auf dem Pfad des abtrünnigen Karmas zu wandeln.“
Mit einem Mal begriff der Dieb, was ihm der Mönch die ganze Zeit versucht hatte, zu sagen. Dann meinte er: „Nur eine Frage hab ich noch. Warum ist dir das so wichtig? Warum hilfst du jemandem wie mir?“
Da antwortete der Mönch: „Ich erwähne es immer wieder gerne. Jeder hat stets die Chance Gutes zu tun, egal wie finster seine Vergangenheit ist.“
Am nächsten Tag begab sich der ehemalige Dieb ins Dorf und erzählte seinem Freund, was passiert war. Schnell hatte er ihn überzeugt, sich ebenfalls dem Tempel anzuschließen.
Nachdem die drei Monate vorüber waren, beschlossen die zwei Freunde weiterhin dem Tempel zu dienen und den Weg des Mönches zu bestreiten. Hier lebten sie fortan zufriedener, als sie es je zuvor in ihrem Leben getan hatten.