In einem kleinen unbedeutenden Dorf lebte einst ein Reisbauer. Er besuchte regelmäßig den Tempel und spendete, was ihm möglich war. Er versuchte sich auch stets an die Ratschläge der Mönche zu halten, wenngleich er nicht fehlerlos war.
Als er sich gerade mit einem Freund über den rechten Pfad unterhielt, kam ein Mönch dazu und sagte: „Du meinst also, lediglich weil es heißt, man solle dieses und jenes vermeiden, sei es nicht schlimm, wenn man mal vom Weg abkommt? Da muss ich dich enttäuschen. Natürlich ist niemand perfekt, aber wir sollten dennoch stets versuchen auf dem rechten Weg zu bleiben. Wenn wir davon abkommen, können uns andere dunkle Pfade plötzlich sehr verführerisch erscheinen. Eine einzige falsche Tat kann dich schneller in die Dunkelheit führen, als du ahnst, mein Freund.“
Der Reisbauer zweifelte an den Worten des Mönches.
„Ein kleiner Ausrutscher würde einen schließlich nicht gleich zum Mörder machen“, dachte er sich.
Dieses Jahr war die Reisernte besonders prächtig ausgefallen. Aus diesem Anlass hatte der Reisbauer all seine Freunde in die hiesige Schänke eingeladen. Hier feierte man ausgelassen und stieß mit reichlich Reisbier an.
„Ein kühles Bier genehmige ich mir noch“, sagte der Bauer kühn.
„Hast du nicht schon genug gehabt?“, meinte einer seiner Freunde. Er ließ sich davon jedoch nicht abbringen. Er tat es mit einem „Nur das eine Mal“ ab.
Mit steigendem Mond nahm die Feier langsam ihr Ende und immer mehr Gäste begannen sich zu verabschieden. Dem Bauer war aber noch lange nicht danach. Er wollte weiterfeiern. Er sprang auf und plärrte: „Barde spiel weiter! Ich will tanzen bis zum Morgen.“
Kurzerhand schnappte er sich eine junge Maid und versuchte sie zum Tanzen zu animieren. Ihr war das aber alles andere als recht und stieß ihn von sich. Sichtlich gekränkt lief er an ihr vorbei und klatschte ihr mit der Hand auf den Po. Es folgte eine Ohrfeige und großes Getuschel. Daraufhin kam die Feier endgültig zum Erliegen und binnen kürzester Zeit leerte sich die Schänke. Während sich der Bauer noch die Wange hielt, überredete ihn sein Freund ebenfalls nach Hause zu gehen.
Als sie gerade eine Farm passierten, sagte der Reisbauer plötzlich zu seinem Freund: „Weißt du was? Ich hol mir noch schnell was zu essen. Mein Magen knurrt furchtbar.“
Eine Weile später erschien er wieder aus der Dunkelheit mit einem Huhn in der Hand.
„Woher hast du das?“, wollte sein Freund wissen.
„Von nebenan“, antwortete er trocken.
„Du weißt doch, dass man nichts nehmen soll, was einem nicht gegeben wird.“
„Ist doch bloß ein kleines Hühnchen. Da waren so viele in der Scheune. Das fällt gar nicht auf. Ist ja nur das eine Mal“, versuchte sich der Bauer herauszureden.
„Und was willst du jetzt machen?“, fragte sein Freund.
„Na wir machen hier ein kleines Feuerchen und bereiten uns einen Festschmaus vor.“
Der Reisbauer holte ein Messer hervor und schnitt kurzerhand die Kehle des Vogels durch. Das Bier in seinen Adern hinderte ihn jedoch daran, einen sauberen Schnitt zu ziehen, weshalb das arme Tier nicht sofort starb.
„Jetzt brichst du auch noch das oberste aller Prinzipien! Damit will ich nichts zu tun haben!“, empörte sich sein Freund und ging alleine weiter.
Der Reisbauer ließ ihn ziehen und legte das Huhn beiseite. Dann versuchte er ein Feuer zu entzünden.
„Ich weiß gar nicht, was die alle haben. Zuerst diese arrogante Ziege und dann spielt der sich noch wie ein Prediger vom Tempel auf. Ist doch nur das eine Mal.“
Während er weiter vor sich hin murmelte, merkte er nicht, wie das sterbende Tier seine Chance zur Flucht erkannte und panisch davonrannte. Zu allem Überfluss entfaltete das Bier endgültig seine volle Wirkung und ließ ihn in einen tiefen Schlaf fallen.
Als er von der Mittagssonne wachgekitzelt wurde, fand er sich in einer makaberen Szene wieder. Er lag inmitten einer Blutlache; auf der einen Seite ein Bierkrug, auf der anderen ein blutverschmiertes Messer. Von dort ausgehend erstreckte sich ein blutiger Pfad mehrere dutzend Meter lang bis hin zum nahegelegenen See.
Auch wenn der Reisbauer sich sogleich bei dem betroffenen Farmer entschuldigte, war der Spott doch groß. Die Geschichte machte schnell die Runde und bald war er in der ganzen Gegend als „Hühnerschreck“ bekannt. Und immer wenn ihn jemand so nannte, erwiderte er: „Das war doch nur das eine Mal.“